Von Aberglauben und Glaubenssätzen

Ich hatte Tausende von Problemen in meinem Leben. Die meisten sind aber niemals passiert. 

(Mark Twain)

 

Die Pressekonferenz nach dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft.

Die Weltpresse lauscht dem O-Ton von Bundestrainers Julian Nagelsmann:

„Ich kann meiner Mannschaft heute nicht den geringsten Vorwurf machen. Die Einstellung war vorbildlich, der Matchplan wurde perfekt umgesetzt, jeder ging an seine Grenzen und darüber hinaus!

Spielentscheidend war leider ein ganz anderer Fakt:

Auf der schwäbischen Ostalb hat ein Vollpfosten sein Trikot, welches er zuvor bei jeder Übertragung am Leib hatte und mit dem die Gruppenphase überstanden wurde, zum heutigen Spiel gewechselt und hat auch vor dem Spiel nicht dieselben Rituale wie bis dahin vollzogen.

Mit solch einer Last auf den Schultern war es für meine Mannschaft heute war es schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit, das Spiel zu gewinnen!

 

Zum Glück wache ich sogleich auf aus diesem bescheuerten Traum auf!

 

Ganz sicher fühlt sich hier mancher EM-Fan ertappt und ich weiß, dass ich bei weitem nicht der Einzige bin in Sachen Aberglauben aus Absurdistan.

Das stetig selbige ungewaschene Oberteil, die penibelst einzuhaltende Sitzordnung beim Gucken, das obligatorische Essen und Getränk zum Spiel – so leisten wir unendlich Vielen unseren gefühlten Beitrag zum Gelingen des Großen und Ganzen.

 

Sie machen echt viel Spaß machen, diese 0,5 Prozent in uns, die uns sicher sein lassen, dass wir spielentscheidend sein werden.

Und millionenfach in dieser Zeit das vergleichbare Schräubchen locker zu wissen, schafft Verbundenheit.

 

Das „leider“ setzt leider dann ein, wenn über solche Ausnahme-Vier-Wochen hinaus, vergleichbare Muster in unserem Tun und Handeln nicht mehr für kollektives landesweites Schmunzeln sorgen, sondern unser komplettes Mindset limitieren.

Sie sind zwar mindestens genauso an den Haaren herbeigezogen, wie unsere geliebten EM-Rituale, doch leider selten originell, noch seltener hilfreich oder zielführend, sondern in ihrer extremsten Variante toxisch, destruktiv und blockierend.

 

Oh ja, der Weg vom Aberglauben zum Glaubenssatz ist subtil kurz und leider nicht in Zeiten, Toren oder Weiten zu analysieren.

In den seltensten Fällen ist uns zudem bewusst, wann wir mal entschieden haben, etwas Limitierendes, Blockierendes, Destruktives als gottgegebene Wahrheit in unseren Denkmechanismus einzuhämmern.

Von der Überlegung manches einmal dem Realitätscheck unterzogen zu haben, ganz zu schweigen!

 

Hab also weiterhin viel Spaß bei der EM, den Erlebnissen drumherum und auch bei all Deinen eventuellen Ritualen!

Doch nimm so gerne, wie dringend, eine Portion dieser Leichtigkeit mit in Deinen Alltag, wenn es mal daran geht, Muster und Gewohnheiten zu hinterfragen, welche Dir noch nie gutgetan haben, Dich noch nie weiterbrachten und Du Dich gerne mal fragen möchtest, wer denn mal behauptet hat, dass das wahr wäre!

 

Ach genau, … und weder Du noch ich werden ganz sicher jemals in einer DFB-Pressekonferenz namentlich genannt werden 😊